Bericht zum 1. ETB-Nachhaltigkeitsnetzwerktreffen
unter diesem Motto haben sich am 03. und 04. Februar 2020, 9 Filialbäcker aus ganz Deutschland in Polch und Bad Neuenahr-Ahrweiler zusammengefunden. Mit einer Jahresgesamtumsatzsumme von ca. 400 Mio. €, ungefähr 7.000 Mitarbeitern und etwa 84 Mio. kWh Energiebedarf pro Jahr repräsentieren diese Bäcker sehr erfolgreiche, innovative und engagierte Unternehmen.
Das erste ETB-Nachhaltigkeitsnetzwerktreffen fand im Produktionsstandort der Achim Lohner GmbH & Co. KG in Polch statt. Als Gastgeber hießen die beiden Geschäftsführer Jürgen Lamparter und Helmut Moll die angereisten Netzwerkpartner herzlich willkommen.
Nach einer Begrüßung durch den Organisator Dirk Siegfried Hübner und einer kurzen Vorstellungsrunde startete der erste Referent Bäckermeister und Betriebswirt Roland Schüren aus Hilden auch schon mit seinem interessanten Vortrag.
Der Pionier zahlt drauf – oder doch nicht?
Herr Schüren berichtete von seinen Anfängen zur Ausrichtung seiner Bäckerei zur CO2 - emmissionsarmen bzw. -freien Backstube. Von der Beheizung der Thermalölbacköfen mit Biomasse, der wassergekühlten Kälteanlage bis zu seinem vielbeachteten Pionierprojekt der konsequenten Umstellung der Bäckereilogistik auf Elektromobilität und Stromeigenversorgung mittels PV-Anlage. Er gab mit einem Augenzwinkern zu, dass er froh über die CO2 Besteuerung der Energieträger sei. Nur durch solche gesetzlichen Rahmenbedingungen könnten Investitionen in regenerative Techniken in Zukunft auch wirtschaftlich umgesetzt werden. Dass Herr Schüren noch einiges vor hat, beweist sein neuestes Projekt am Autobahnkreuz Hilden. Hier soll, neben Europas größter Elektroautoschnellladestation, auch eine innovative Backstube mit Cafe – mehrgeschossig mit Gewächshaus - entstehen. In der anschließenden Diskussionsrunde ging Herr Schüren offen auf die gestellten Fragen ein und gab bereitwillig Hintergrundinformationen zum Weg zu einer CO2 neutralen Bäckerei. Das diese Philosophie nicht bedingungslos multiplizierbar ist und alleine schon aus technischen Gründen nicht zu jedem Unternehmen passt, war den Teilnehmern bewusst. Allerdings konnten einige Denkanstöße und Ideen für die Zukunft mitgenommen werden.
HEUFT Backofenbau – The Thermo-Oel People
Als Nächstes stand ein Werksbesuch beim Weltmarktführer für Thermalbacköfen auf dem Programm. Dazu fuhr man gemeinsam die wenigen km von Polch nach Bell zum Firmensitz von HEUFT Backofenbau -"The Thermo-Oel People". Dort wurden die Teilnehmer von Firmeninhaber Dipl-Ing. Thomas Heuft, Geschäftsführer Dipl.-Betriebsw. Georg Rosenbach sowie dem Vertriebsleiter Bäckermeister u. Lebensmitteltechniker Bernd Ludwig empfangen. Nach einer Unternehmensvorstellung und einem Vortrag zur nachhaltigen Unternehmensausrichtung folgte eine Werksbesichtigung. Hier konnten die Netzwerkpartner sich von der beeindruckenden Herstellung Thermoöl beheizter Backöfen ein Bild machen. Der ein oder andere Besucher entdeckte in den Produktionshallen des ausschließlich Thermölbacköfen herstellenden Ofenbauers dann sogar noch seinen eigenen neuen zukünftigen Backofen. Abschließend referierten Georg Fiege und Jochen Wagner von HEUFT-Energy zu Wärmerückgewinnung, energetischer Kaskadensteuerung "EMM" und Backprogramm-, Energiebedarfs- und Backofenauslastungsvisualisierung "BIC". Herr Heuft lud die Teilnehmer ein wieder zu kommen wenn die aktuell in Umsetzung befindlichen Produktionsneu- und Anbauten fertig gestellt sind. Die Netzwerker bedankten sich für die Gastfreundschaft und interessanten Eindrücke des ältesten Backofenbauers "Made in Germany" und versprachen gerne noch einmal wiederzukommen.
|
Unweit von Bell liegt der noch immer aktive Vulkankrater "Laacher See". Im angrenzenden Mendig stärkten sich die Bäcker im "Vulkan-Brauhaus" bei leckeren Speisen. Der geplante Besuch des tiefsten Bierkellers der Welt musste aus Zeitgründen leider ausfallen.
Die Lohner´s
Als krönender Abschluss des ersten Netzwerktages lud Geschäftsführer Jürgen Lamparter die Kollegen nun zur Betriebsbesichtigung der LOHNER´s ein. Er ließ es sich nicht nehmen, die Kollegen persönlich durch die Produktion zu führen und ließ keine der vielen, teils sehr detaillierten, Fachfragen unbeantwortet. Die ehrliche und sehr offene Art von Herrn Lamparter und die beeindruckende Produktion begeisterte die Teilnehmer. Die LOHNER´s haben u.a. 4 verschiedene Backofenhersteller im Einsatz, verfügen über ein großes Korb- und Dielchenlager mit automatisierter Transporttechnik und umfangreicher Kältetechnik. Aktuell wird die jetzt schon beeindruckende Produktion um weitere 4.900 m2 erweitert. Das mit ca. 100 Mio. € Umsatz und etwa 2.000 Mitarbeiter starke Bäckereiunternehmen ist mit seinen 165 Filialen im Radius von 120 km das größte ETB-Netzwerkmitglied. Herr Lohner ist in vielerlei Hinsicht Branchenpionier. So hat er als erster Bäcker schon vor vielen Jahren die Aufheizung der Gärvollautomaten mit einem Wasser/Glycolgemisch statt elektr. Strom realisiert. Das LOHNER´s sehr viel Wert auf den Schutz und Erhalt der Umwelt legen, wird auch durch die vor 3 Jahren installierte beeindruckende Wärmerückgewinnungsanlage deutlich. Kernstück sind drei Pufferspeicher mit einem Gesamtvolumen von 60.000 ltr. die von der Abwärme der Kälteanlagen, der Schwaden der Backöfen sowie den Abgasen der direktbeheizten Stikkenbacköfen und der Thermoölheizkessel gespeist werden. Hierdurch werden täglich die ca. 24.000 ltr. 85°C heißen Wasser für die Spülmaschinen bereitgestellt und auch die Wärme für die Aufheizung der Gärvollautomaten und der Betonkernaktivierung in der Produktion. Alleine diese Maßnahme ersetzt einen 700 kW Gasheizkessel. Eine 267 kW Peak Photovoltaikanlage auf dem Dach der Produktion sorgt für eine Reduzierung der Grundlast an elektrischem Strom. Auch in den Filialen sind „Die LOHNER´S“ auf Energie- und Ressourceneffizienz bedacht. Soziales Engagement für und in der Region, regelmäßige Spendenaktionen, intensive Gesundheitsförderung der Mitarbeiter und eine ausgezeichnete Ausbildung bilden wichtige Grundpfeiler der Unternehmensstiftung.
Nach einem Abschlusstrunk in der Hotelbar des Steigenberger Hotels in Bad Neuenahr-Ahrweiler, wo schon der G 8 Gipfel der Außenminister und G 20 Gipfel der Arbeitsminister stattfand, erholten sich die Teilnehmer von diesem ereignisreichen Tag.
Der zweite Netzwerktag fand im Tagungshotel statt und war ganz den Fachvorträgen gewidmet.
Ein eigenes Kraftwerk
Die besondere Aufmerksamkeit der Bäcker des ETB-Netzwerkes genoss Arnold Berens. Er ist Geschäftsführer der Kraftwerk Solutions AG und stellte die Chance vor "das eigene Gebäude zum Kraftwerk zu machen." Das Kernstück bildet eine Solaranlage mit der Kombination aus Photovoltaik und thermischem Solarabsorber auf dem Dach, einem Eisspeicher im Erdreich sowie einer Flächenheizung und Wärmepumpe im Gebäude. So kann ein Gebäude nachhaltig erwärmt und im Sommer gleichsam gekühlt werden.
http://kraftwerk-solutions.com
Kältetechnik rund um CO2
Der zweite Vortrag an diesem Vormittag wurde durch Dipl.-Ing. und Bäckermeister Peter Immerath von MIWE vorgetragen. Er erläuterte sehr fachkundig und trotzdem verständlich die neue Bäckerkältetechnik mit CO2. Ob "Verbundanlage", "Booster-Technik", "Glycolbeheizung", "Transkritische oder Subkritische Betriebsweise", all diese Fachbergriffe wurden durch die Erläuterungen des Spezialisten verständlich. Ein ganz besonderes Anliegen war Herrn Immerath die Aufklärung über verschiedenste am Markt erhältliche Kältemittel. So gibt es z.B. Kältemittel die zwar einen verhältnismäßig geringen GWP (Global-Warming-Potential) - Wert besitzen, aber eine erhebliche Gefahr für unser Trinkwasser darstellen, da diese sich zu Trifluoressigsäure zersetzen.
https://www.miwe.de/de-de/produkte/produktion/baeckereikaeltetechnik/
Shop-IQ – Die Revolution für Ihre Filiale
Joachim Leppig, Geschäftsführer der SHOP-IQ GmbH & Co. KG aus Schweinfurt informierte sehr anschaulich und beeindruckend welchen Einfluss das Marketing-, Informations- und Steuerungssystemkonzept „Shop-IQ“ in der Filiale haben kann. Hier kam auch der Vorteil des ERFA-Charakters des ETB-Netzwerktreffens zum Tragen, da ein paar Teilnehmer bereits Kontakt mit "Shop-IQ" hatten bzw. dieses schon in verschiedenen Filialen in unterschiedlichen Ausführungen einsetzen. So konnte über Erfahrungen der verschiedensten Module wie Marketing, Logistics, Energy, Analytics, Price Label, Control, Pay & Order, etc. von "Shop-IQ" berichtet und deren Einsatz diskutiert werden. Herr Leppig der seit vielen Jahrzehnten als ausgewiesener Fachmann in der Bäckereibranche zuhause ist, konnte den Netzwerkern mit vielen Praxisbeispielen die Vorteile von "Shop-IQ" näher bringen.
https://www.shop-iq.eu
Vakuumkonditionierung in der Backstube
Dies war das Thema von WP Key Account Manager und Bäckermeister Hans-Peter Hetkamp. Vacuumkonditionierung erlebt in der Filialbäckerei eine immer größere Bedeutung. Von Frischgrad, Genusswert oder Rösche über Einsparung an Arbeits-schritten und Personalaufwand in der Filiale bis hin zur Energieeinsparung konnte Herr Hetkamp die Vacuumkonditionierung bis ins kleinste Detail erklären und mit vielen Beispielen aus der Praxis - auch von anwesenden Betrieben - darstellen. Auch hierzu gab es von den Netzwerkteilnehmern wieder informative Gespräche da einige Betriebe diese Technik bereits einsetzen und von Ihren Erfahrungen berichten konnten.
https://www.wp-l.de
Info zu den Netzwerkteilnehmern sowie zu Fördermitteln und Energiekosten
Als Schlussvortrag informierte der Netzwerkorganisator u. Moderator Dirk Siegfried Hübner noch über die ETB-Netzwerkteilnehmer an sich. Über deren wirtschaftliche Gesamtgröße, Gesamtenergiebedarf und über das was diese Unternehmen bereits alles in den vergangenen Jahren umgesetzt und eingespart haben. Des Weiteren gab er einen Ausblick auf die aktuelle Fördermittel- und Energiekostensituation.
|
Das erste ETB-Nachhaltigkeitsnetzwerktreffen endete nach zwei sehr informativen und interessanten Tagen. Die anwesenden Teilnehmer fühlten sich alle wohl und haben neue Inspirationen auf dem weiteren Weg zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsbilanz mit nach Hause in Ihre Betriebe genommen. Der allgemeine Tenor war sehr positiv und die Zusammenstellung der verschiedenen Betriebe - auch oder trotz Ihrer unterschiedlichsten Größe - ist gut angekommen. Es herrschte eine offene und vertrauensvolle Kommunikation und einige Teilnehmer haben sich schon zu gegenseitigen Besuchen verabredet. Dieses Netzwerktreffen war das erste. Es gibt noch viel zu tun und die Teilnehmer waren der einhelligen Meinung, dass das nächste Treffen nicht allzu lange auf sich warten lassen sollte.
Info zum ETB-Nachhaltigkeitsnetzwerk – wer & warum
"Purpose", "CSR", "Nachhaltigkeit" all diese Begriffe stehen sinngemäß für eines: verantwortungsvolle, sozial engagierte und umweltbewusste Unternehmensführung. Dieser Maxime haben sich bereits einige Unternehmen verschrieben. 9 Bäckereifilialisten die gemeinsam nachhaltig noch erfolgreicher werden möchten haben sich zu einem Nachhaltigkeitsnetzwerk zusammengetan. Dieses erste und einzige Nachhaltigkeitsnetzwerk, welches auch vom Bundeswirtschafts- u. Bundesumweltministerium als sogenanntes "LEEN-Netzwerk" ausgezeichnet ist, wurde von folgenden Betrieben gegründet:
- Familienbäckerei FUCHS aus Bamberg
- W. GEIPING aus Lüdinghausen
- Bäckermeister GROBE aus Dortmund
- KLEIN´s Backstube aus Hürth
- Die LOHNER´s aus Polch
- MÜLLER & EGERER aus Rastede
- Peter SCHMITT aus Bad Kissingen
- E. VIELHABER aus Sundern
- Ferdinand VOIGT aus Swisttal-Heimerzheim
Organisiert und moderiert wird das ETB-Netzwerk - was für "nachhaltige Energie & Technik für Bäcker" steht - von der auf Bäckereien spezialisierten Unternehmensberatung HÜBNER ENERGIE CONSULTING aus Bad Neuenahr-Ahrweiler.
Alle ETB-Netzwerkmitglieder haben in der Vergangenheit und lange vor den Aktionsbewegungen, wie beispielsweise "Fridays for Future", schon sehr viel für die energetische und ressourcenschonende Optimierung Ihrer Betriebe unternommen. Die im Branchenquerschnitt überdurchschnittlich engagierten Unternehmen verfügen bereits alle über modernste Backofen- und Kälteanlagentechnik. Eine Wärmerückgewinnungsanlage aus der Abwärme der Backöfen und Kälteanlagen zur Warmwasserversorgung der gewerblichen Spülmaschinen, Glycolbeheizung der Gärvollautomaten und Beheizung der Produktions-, Sozial- und Verwaltungsräume ist für diese Bäckereifilialisten ebenso selbstverständlicher Standard wie die Belieferung der örtlichen Tafeln mit Retouren des Tagesgeschäftes oder die Verwendung regionaler Rohstoffe wie Mehl, Eiern, Milch und saisonaler Früchte. Ebenso dazu gehören Mitarbeiterentwicklungsprogramme und betriebliche Gesundheitsförderung. LED-Beleuchtung in der Produktion und den Filialen ist bei diesen Bäckereien ebenso selbstverständlich wie ein funktionierendes Energiemanagement mit Visualisierung der Energieverbräuche und daraus resultierender Kennzahlenbildung wie z.B. kWh Energieeinsatz pro kg Backware oder € Energiekosten zu € Umsatz.
Obwohl diese Unternehmen alle überdurchschnittlich gute Kennzahlen haben und sehr erfolgreich am Markt etabliert sind, entschlossen sich deren Inhaber und Geschäftsführer dazu, ein gemeinsames Netzwerk - ähnlich eines ERFA- Kreises - zu gründen, um gemeinsam noch besser zu werden.
Hierzu gehören gegenseitige Betriebsbesuche, Werksbesichtigungen renommierter Bäckereimaschinenhersteller und innovative Fachvorträge. Auch der Benchmark-vergleich relevanter Unternehmenskennzahlen steht im Focus, um von den jeweiligen erfolgreicheren Betrieben zu lernen.
Des Weiteren konnten über die Kraft des Netzwerkzusammenschlusses bereits Rahmenverträge mit Anbietern wie z.B. einem Messstellenbetreiber geschlossen werden. So sind beispielsweise die meisten Produktionen und Filialen dieser Bäckereien mit modernsten intelligenten Stromzählern desselben Herstellers ausgestattet und über eine einheitliche Visualisierungsplattform miteinander vergleichbar.
In Anbetracht der aktuellen gesellschaftlichen Aufgaben wie Klimawandel, Mitarbeitermangel, CO2- Reduktion, Ressourcen- und Energieeffizienz, regenerativer Energieversorgung, Stärkung der Region, Förderung der Mitarbeiter und vielem mehr erfüllen diese Betriebe schon heute eine Vorbildfunktion.
Das die Unternehmer sich auf dem bisher erreichten nicht ausruhen möchten, sondern nach weiteren Optimierungen suchen, um Ihrer selbstverständlichen Verantwortung für die Zukunft gerecht zu werden, beweist deutlich, dass es in Deutschland noch Macher gibt die mit Taten eine Vorbildfunktion einnehmen.
Man darf gespannt sein was aus diesem Nachhaltigkeitsnetzwerk und dessen weiterer Entwicklung noch alles hervorgeht.